Moin, ich bin Lara, 21 Jahre alt und mache zurzeit eine Ausbildung in der Tourismus GmbH zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit. Heute begleite ich Frieda, die im Nationalpark-Haus in Dornumersiel ihr Bundesfreiwilligenjahr absolviert, auf einer eineinhalbstündigen winterlichen Erlebnisführung ins Wattenmeer.
Es ist der 25. November und ausgerechnet heute ist es nasskalt, neblig und zeitweise regnet es etwas. Dem Wetter zum Trotz haben sich noch sechs weitere Personen angemeldet. Bevor es ins Watt geht, macht Frieda mit uns noch einen Abstecher in die Salzwiesen direkt am Hellerpad. „Das braune Ungetüm“ nennt sie diese Landschaft. Als wir dort ankommen, wissen wir auch warum. Eine auf den ersten Blick öde Landschaft erwartet uns. Nichts blüht hier, nur verdorrtes gelb-braunes Gras.
Lebensraum Salzwiese
Aber Frieda belehrt uns eines Besseren. Die Salzwiesen sind noch nicht Land aber auch nicht mehr Wasser. Nicht Fisch, noch Fleisch. Sie sind eine Übergangszone, zweimal täglich vom Salzwasser überflutet.
Trotz dieser extremen Lebensbedingungen ist die Salzwiese Lebensraum für viele Pflanzen, Insekten und Vogelarten. Vor allem von April bis August. Aber auch jetzt im Winter finden wir mit Friedas Hilfe einige unscheinbare Pflanzen, wie die Strandsode. Die kann man sogar essen. Ein sehr salziges Frischgemüse!
Klar, wollen wir mal probieren. Na ja, delikat schmeckt anders.
Auch aus Sicht des Küstenschutzes sind Salzwiesen sehr bedeutsam, erklärt uns Frieda weiter. Sie dienen nämlich als Sicherheitspuffer. Zwischen den Pflanzen lagert sich mit der Zeit Sand ab. So steigen die Salzwiesen langsam an. Bei einem Sturm bremsen sie die Wucht der auflaufenden Wellen und reduzieren somit die Höhe der an den Deich rollenden Wellen.
Die kleine Möwenkunde
Nächster Haltepunkt ist der NIVEA-Ball am Strand. Hier kann man normalerweise prima Watvögel beobachten. Da uns aber der Nebel heute einen Strich durch die Rechnung macht, bleiben uns nur Friedas Erzählungen. Macht aber nix. Denn seitdem kann ich Möwenarten bestimmen! Zugegeben, bislang dachte ich, dass alle Möwen gleich aussehen.
Die Mantelmöwe zum Beispiel sieht wirklich aus, als ob sie einen Mantel trägt. Die Jungvögel haben ein braungeflecktes Federkleid, dass sie die ersten drei Jahre behalten. Und genauso lange werden sie auch von Mama Möwe gefüttert. Hotel Mama! Ganz schön verwöhnt, die Bagage! Die Lachmöwe, eine weitere Möwenart erkennt man im Sommer an ihrem fast schwarzen Kopf. Im Winter bleibt davon nur ein kleiner schwarzer Punkt neben den Augen.
Ab ins Watt
Nach der Möwenkunde geht es nun endlich ins Watt. Also, eigentlich sind Gummistiefel im Watt ja tabu, weil man damit im Boden steckenbleibt. Aber in dieser kalten Jahreszeit ist das erlaubt und funktioniert auch, wenn man die richtige Technik beherrscht. „Immer mit den Zehenspitzen zuerst auf dem Wattboden aufkommen“, erklärt Frieda. Tatsächlich, das funktioniert. Und wie Tänzer schweben wir förmlich übers Watt. Wir haben nach Muscheln, Schnecken und Wattwürmern Ausschau gehalten und Frieda hat uns viel über die Tiere im Wattenmeer erzählt. Bemerkenswert finde ich, dass unsere Muscheln einmal pro Woche die komplette Nordsee filtern.
Eine Muschel filtert dabei ca. drei Liter Nordsee pro Stunde.
Sogar eine Pazifische Auster haben wir gefunden, die hier eigentlich nichts zu suchen hat. Leider hat sie mittlerweile unsere einheimische, europäische Auster komplett verdrängt. Schuld sind die Sylter, die, um ihre reiche Klientel zu verwöhnen, unbedingt pazifische Austern in der Nordsee züchten mussten. Sie dachten, die exotischen Tiere vermehren sich in unseren kalten Gefilden nicht. Das Ergebnis sieht man ja nun! Welche Auswirkungen diese fremde Tierart auf das Ökosystem im Wattenmeer hat, weiß man noch gar nicht. Wegen der Pazifischen Auster kann man übrigens fast nicht mehr im Watt barfuß laufen, weil man sich mit den scharfen Kanten die Füße aufschneiden kann. Danke Sylt!
Strandschnecken haben wir auch gefunden. Die können übrigens ganz anhänglich sein. Um sie aus ihrem Schneckenhaus zu locken, wiegt man sie einfach in der Hand hin und her. Und wenn man besonders sanft wiegt, fühlt die Schnecke sich so wohl, dass sie sich an der Hand festsaugt und gar nicht mehr weg möchte. Cool, die stehen auf Wellness!
Spaghetti mit dem Wattwurm
Eine Watterkundung ohne Wattwurm geht natürlich gar nicht. Schnell hat Frieda mit ihrer Schaufel ein Exemplar ausgebuddelt. Wenn der Wurm an die Oberfläche kommt, um seinen Kot – das sind die vielen Sandspaghettihäufchen, die ihr im Watt seht – abzulassen, streckt er sein Hinterteil in die Luft.
Das ist der gefährlichste Moment im Leben des Wattwurms.
Denn viele Watvögel fressen liebend gerne Wattwurm. Zum Glück überlebt der Wurm viele dieser Attacken, weil er jede Menge Hinterteile hat. Erst wenn die letzte Pobacke weggefressen ist, stirbt auch der Wattwurm. Ganz schön pfiffig, dieser Kerl.
Hörtipp: Marlene erzählt dir mehr über die Wattwürmer.
Krebse und ihr Seerohr
Kurioses hat auch der Krebs zu bitten. Leider trifft man ihn im Winter wegen der Kälte nicht mehr vorne im Watt. Krebse laufen seitlich, erklärt uns Frieda und nennt uns gleich den Grund dafür: Der Krebs hat so schwere und große Scheren, dass er damit unmöglich vorwärtslaufen kann. Er müsste dann die Scheren hochhalten. Das wäre viel zu anstrengend. Verliert der Krebs mal eine seiner Scheren, macht das gar nichts, denn die wachsen wieder nach.
Eine sehr coole Eigenschaft, wie ich finde. Krebse haben mit ihren langen Augenstielen einen 360 Grad Blick. Die Augenstiele können sie bei Gefahr blitzschnell einziehen. Erinnert mich etwas an das Seerohr im U-Boot.
Ein Krebs kann drei Stunden ohne Wasser überleben, da er Kiemen in den Backen hat.
Darin speichert er das Wasser. Solltet ihr mal einen Krebs in der Hand halten, seht ihr es blubbern.
Tja, so langsam neigt sich unsere Wattführung mit Frieda dem Ende. Die Zeit verging für uns wie im Flug. Wir haben sehr viel über den Lebensraum Wattenmeer erfahren. Solltet ihr euren nächsten Urlaub bei uns in Dornum in den Wintermonaten verbringen, kann ich euch diese informative Wattführung bestens empfehlen. Wattwandern ist übrigens zu jeder Jahreszeit spannend!
Bis zum nächsten Mal, eure Lara.