Volltanken an der Milchtanke

Tanken mal anders

Was ist eine Milchtankstelle?

Zwischen Dornum und Nesse liegt der Hof Mittelkiphausen der Familie Look. „Frische Landmilch“ prangt groß auf einem Schild direkt an der Westerstraße und weist den Weg zum Hof. Seit 2016 betreiben Tanja und Johann eine Milchtankstelle. Von montags bis sonntags 24 Stunden lang kann man hier frische Kuhmilch zapfen. Regionalität at it’s best in Ostfriesland!

kuh milchtanke ostfriesland
milchtankstelle Tanja und Johann Look

Woher kam die Idee einer Milchtankstelle in Ostfriesland?

Johann: Tanja hat Ferienwohnungen in Dornumergrode. Ihre Gäste haben oft gefragt, ob sie bei uns frische Milch bekommen können. Anfragen von Einheimischen und Bekannten hatten wir auch immer wieder. Tanja hatte dann die Idee, auf dem Hof eine Milchtankstelle einzurichten. Neben frischer Kuhmilch verkaufen wir noch Eier von den eigenen Hühnern, Honig und Kartoffeln. 

Tanja: Spontan machen wir auch mal Hofführungen für die Feriengäste. Die kommen ja überwiegend aus den Großstädten und kennen das Hofleben überhaupt nicht. Zuhause gehen sie in den nächsten Supermarkt um die Ecke und kaufen sich da ihre Lebensmittel. 

 Klappe auf. Flasche rein. Milch tanken!

Wie funktioniert denn das Prinzip der Milchtankstelle?

Tanja: Das ist ganz simpel. Einfach mit dem Auto kurz von der Straße abbiegen, hin zum Tankautomaten, Klappe auf, Geld und Flasche rein, und auftanken. 

Die Flaschen bekomme ich bei euch?

Tanja: Ja, die kann man bei uns kaufen, oder bringt das eigene Gefäß mit. Wir haben auch Kunden die mit 5 Liter Kanistern kommen. Die verarbeiten die Milch dann zuhause zu Käse oder Joghurt.

Und wenn ich grad kein Kleingeld habe?

Johann: wir haben einen Geldwechselautomaten eingebaut, der nimmt auch Geldscheine.

Aber warum soll ich raus aufs Land fahren und Milch tanken, wenn es sie doch gleich um die Ecke im Supermarkt gibt? Wo sind die Vorteile?

Tanja: Bei uns bekommt man die Milch roh, frisch von der Kuh. Sie ist nicht behandelt. Sie geht beim Melken nur einmal durch einen Filter. Im Milchautomaten befindet sich ein kleiner Tank, den wir täglich mit frischer Milch befüllen. Sie wird dann bei 4 – 6 ° gekühlt und gerührt. So behält die Milch alle wertvollen Nährstoffe und Aromen vollständig. 

Und die Sahne bleibt somit auch in der Milch erhalten.

Tanja: Ja, wenn man die Milch über Nacht ruhen lässt, bildet sich oben eine Rahmschicht. 

Und die eignet sich dann wunderbar für das Wulkje auf dem Ostfriesentee. Außer dem Gesundheitsaspekt, gibt es noch weitere Vorteile für eure Kunden?

Johann: Ja, ich glaube es ist auch die Anonymität. Die Kunden müssen uns nicht erst aufsuchen, und nach Milch fragen. Sie wollen uns ja auch nicht belästigen. Sie können sich ganz ungezwungen von montags bis sonntags zu jeder Tages- und Nachtzeit ihre Milch selbst zapfen. Wir haben Kunden, die kommen abends zwischen 21:00 und 23:00 Uhr um sich ihre Milch zu zapfen.   

Tanja: (lacht): Es kommt schon mal vor, dass nachts der Rettungswagen vor der Tanke steht. Wenn die Pause haben, oder von einem Einsatz kommen, dann holen sie sich bei uns ihre Milch.    

Außer Milch verkauft ihr noch andere Produkte? 

Tanja:  Ja, Eier von den eigenen Hühnern, Honig, Kartoffeln, Heu, jetzt gerade auch Weihnachtsgestecke … 

Johann:  Wir schlachten auch schon mal Geflügel und Schweine. Zukünftig soll noch Rindfleisch dazukommen.  Die Kunden können sich dann in einer Liste eintragen, die wir in der MIlchtanke auslegen. Wir bieten dann gemischte 10 kg-Fleischpakete an, also von allem etwas.

Hat sich die Anschaffung des Automaten aus eurer Sicht gelohnt?

Tanja: Ja, wir sind sehr zufrieden. Johann hatte anfangs Bedenken, weil wir etwas abseits von der Hauptverkehrsstraße wohnen. Aber das stört die Kunden gar nicht.

Wir haben mittlerweile Kunden nicht nur aus Dornum, sondern auch aus Westerholt, Großheide und Hage.

Wird die Milchtankstelle kontrolliert?

Tanja: Ja, natürlich. Das Veterinäramt nimmt fortwährend Milchproben und prüft die auf Keime.   

Milchtankstelle Lok Ostfriesland

Als ich mit euch diesen Termin vereinbart habe, hast du Johann mir ganz stolz erzählt, dass ich mir eure Melkroboter auch unbedingt anschauen muss. Ich weiß, dass es mittlerweile selbstfahrende Trecker gibt, dass man mithilfe von Drohnen den Düngemittel- und Pestizideinsatz effizienter handhaben kann. Aber von Melkrobotern hatte ich bis dato noch nichts gehört. Wie muss ich mir die denn vorstellen? Sind das lauter kleine humanoide Robbys, die mit großen Kulleraugen durch den Stall schweben und lieb zu den Kühen sprechen? 

Johann:  (lacht): Nein, so ein Melkroboter ist von außen betrachtet eigentlich nur ein Kasten.   

… von denen ihr drei habt. Wie haben sich dadurch die Arbeitsabläufe auf dem Hof geändert?

Tanja: Früher mussten wir jeden Morgen und Abend melken, drei Stunden morgens und drei Stunden abends, inklusive anschließendem Saubermachen. Auch körperlich beansprucht das Melken. Jetzt sind wir zeitlich viel flexibler. Ich muss zwar noch die Kälber füttern, aber da kommt es auf eine halbe Stunde früher oder später nicht so an. Mir hat diese Entlastung jedenfalls sehr gutgetan. Ich bin jetzt viel entspannter als früher.

Johann: Ja, es ist schon eine enorme Arbeitserleichterung für uns. Dafür sitzen wir jetzt viel mehr vorm PC. Die ganze Tierkontrolle läuft größtenteils über den Bildschirm. Alle Daten, die wir sonst visuell aufgenommen haben, übernimmt jetzt der Computer auf zeigt es in Zahlen auf.

Deshalb tragen die Kühe auch alle einen Transponder um den Hals. 

Johann: Ja, sogar zwei. Einer ist für den Roboter und die Fütterung und der andere für die Aktivität. Das heißt, er erkennt auch brünstige Kühe, die Wiederkäueraktivität …  alles wird gemessen.  

Ostfriesische Kuehe

Also die komplett durchleuchtete Kuh?

Johann: So ziemlich. Das ist die Digitalisierung, die überall voranschreitet. Aber die Fütterungszeiten bleiben uns natürlich erhalten. Schließlich haben wir es ja mit lebenden Tieren zu tun. Aber wir haben diese Modernisierung auch wegen meinem Sohn gemacht. Jelto will den Hof übernehmen. Er macht das gerne und er hat sich jetzt für diesen Beruf entscheiden. 

Tanja: Ein moderner Betrieb, in dem man nicht mehr morgens und abends im Melkstand stehen muss ist auch hilfreich, wenn er irgendwann mal eine Partnerin haben möchte. 

Ja, damit er nicht irgendwann bei „Bauer sucht Frau“ landet …  Dank der neuen Roboter können die Kühe ja selbst wählen, wann sie gemolken werden möchten. Früher gab es feste Melkzeiten, die die Kühe wahrscheinlich genau kannten. Ihr melkt über 200 Kühe mit drei Robotern! Wie klappt das? Gibt’s da nicht Stau und Stress vorm Robby? 

Johann: Zu Anfang war es schon schwierig, die Kühe von den gewohnten Melkzeiten wegzubekommen. Das haben wir geschafft, indem wir sie zu unterschiedlichen Zeiten gefüttert haben. Also nicht wie sonst vormittags um 10:00 Uhr füttern, sondern morgens schon mal um 6:00 Uhr beginnen. Dann um 15:00 Uhr und um 21:00 Uhr noch einmal wiederholen. Dadurch konnten wir den Andrang vor den Melkrobotern entzerren. Einige Nächte mussten wir uns um die Ohren schlagen, um die Tiere zu den Robotern zu treiben (schmunzelt). Nachts ging von alleine gar nichts. Das hat gut zwei Wochen gedauert.  

Tipps für Zuhause

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  • Vor dem Verwenden muss die Rohmilch während 20 bis 30 Sekunden auf mindestens 70 Grad einmal kurz erwärmt werden (abkochen).
  • Danach ist sie im Kühlschrank zwei bis drei Tage haltbar.
  • Aus roher Milch kann man sehr einfach selbst Rahm gewinnen: Einfach einen Tag im Kühlschrank stehen lassen und dann das Fett oben abschöpfen.

Tanja: Das kann man jetzt am Computer alles abrufen und verfolgen. Zum Beispiel Tiere, die in der Rangordnung niedriger stehen oder ängstlicher sind. Die gehen dann eben nachts um halb eins an die Melkroboter. Dann ist es am ruhigsten und entspanntesten für sie. Dieses Verhalten hat uns auch überrascht. 

Bei der Umgewöhnung der Kühe hat uns auch Musik geholfen.

Johann: Ich hab früher im Melkstand immer Radio gehört. In erster Linie Nachrichten und Musik. Das kannten die Kühe. Und so haben wir sie auch an die Roboter gelockt. 

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Wow, dann habt ihr nicht nur musikalische, sondern auch gebildete Kühe. Aber ihr verwöhnt eure Kühe ja nicht nur mit Musik, sondern auch mit Bürstenmassagen. Hat das einen bestimmten Grund?

Johann: Die Bürsten sind Wellness für die Kühe. Man sagt ja, wenn die Kuh sich wohlfühlt, gibt sie mehr Milch. Angefangen haben wir mit einer Bürste, die lief 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Das reichte nicht. Jetzt haben wir drei Bürsten.

Es gibt ja das Schimpfwort „Du dumme Kuh“. Sind Kühe eigentlich wirklich dumm? 

Hanko: Nein, Kühe sind klug: Kühe können beispielsweise den Hebel einer Tränke betätigen, wenn sie durstig sind. Sie können auch mit ihrem Kopf auf einen Knopf drücken, um Weizen zu erhalten, wenn sie hungrig sind. Sie sollen fast so schlau wie Hunde sein. Und sie sind sehr soziale Tiere, Schwächere werden nicht drangsaliert.

 

Familie Look ostfriesland milchtankstelle

Tanja und Johann, ich danke euch für das interessante Gespräch und wünsche euch viele zufriedene Kunden und glückliche Kühe.

Marlene schreibt

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