Gulfhöfe – Das Vermächtnis der Polderfürsten

auf den Spuren ostfriesischer BauernHöfe

In dieser Folge von „Teetied und Rosinenbrot“ tauchen wir ein in das Leben auf den Gulfhöfen Ostfrieslands. Wusstest du, dass die Bauweise unserer Bauernhäuser an die mächtigen Holzhallen der Wikinger erinnert? Hier wohnten nicht nur Bauern, sondern echte Polderfürsten, die durch den Getreideanbau an der Küste ihren Reichtum vermehrten.

Warum heißen sie Gulfhöfe? Der Name führt uns zurück zu den cleveren Raumaufteilungen im Inneren – die sogenannten „Gulfe“, wo früher das Getreide bis unter das Dach gestapelt wurde.

Der Wandel des Gulfhofs

Die Höfe sind längst mehr als nur Wirtschaftsgebäude. Heute beherbergen sie Cafés, Ferienwohnungen oder dienen als Wohnhäuser. Komm mit auf einen Ausflug ins Ostfriesische Landwirtschaftsmuseum in Campen, wo du zwei historische Gulfhöfe hautnah erleben kannst.

Entdecke, wie der Alltag der Polderfürsten aussah, und frage vielleicht selbst bei deinem nächsten Urlaub auf dem Hof, ob du einen Blick in die alte Scheune werfen darfst!

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Die ganze Episode zum Nachlesen:

Moin und herzlich willkommen bei einer neuen Folge von Teetied und Rosinenbrot, dem Podcast aus Dornum.

Wow! Ganz schön imposant hier.

Also, ich fühle mich gerade so ein wenig zurückversetzt in die Wikingerzeit. Die bauten ja damals diese immens großen hölzernen Hallen. Und in alten nordischen Texten waren diese Hallen Aufenthaltsorte von Königen.

Ich stehe auch gerade in einer sehr großen Halle nahe Dornumersiel.

Die diente aber einem ganz anderen Zweck. Hier wurde nämlich schwer gearbeitet. Ich bin in einer Golfscheune, dem Kern und Herzstück unserer Bauernhöfe, der sogenannten Gulfhöfe. Und diese majestätischen Höfe gehören, genau wie die Burgen, Schlösser und Kirchen, zu den historischen Kulturschätzen in Ostfriesland.

Das Gulfhaus setzte sich im 16. und 17. Jahrhundert bei uns in Ostfriesland durch, und es handelt sich hier um einen sogenannten Holzgerüstbau in Ständerbauweise. Hm. Genau. Deshalb auch die Assoziation mit einer Wikingerhalle. Das heißt, im Gulfhaus tragen nicht die Außenwände das Dach, sondern ein gebäudliches Ständerwerk. Und das kann ich mir in der Scheune, in der ich gerade stehe, ganz wunderbar anschauen. Denn vor mir türmen sich zwei Ständerreihen auf.

Also das sind jeweils sechs, mindestens 10 Meter hohe, wuchtige Holzpfähle pro Seite. Und oben befinden sich zahlreiche kleine Holzbalken, die das Ganze zusammenhalten und stabilisieren. Insgesamt ist die Scheune bis zur Dachspitze 12 Meter hoch. Diese hohen Bäume, die man für den Bau der Gulfhöfe benötigte, gab es bei uns im waldarmen Ostfriesland nicht. Und die hat man damals nämlich extra aus Skandinavien geholt.

Warum nennen wir unsere Bauernhäuser Gulfhöfe?

Gulf? Das kommt aus dem Holländischen und bezeichnet so viel wie ein Fach, also im Sinne von Abteil oder Bereich. Ein Gulf ist der Raum zwischen jeweils vier dieser zentralen Ständer. Und in dem Hof, in dem ich mich befinde, gibt es fünf Gulfe, jeder so ungefähr fünf mal 8 Meter groß. In diesen Gulfen wurde das Getreide, das Heu und das Stroh gelagert. Und zwar erdlastig, das heißt vom Boden bis unters Dach.

Und das ist auch das Innovative an diesem Bauernhaustyp. Denn man konnte durch die erdlastige Lagerung natürlich wesentlich mehr lagern als in anderen Bauernhaustypen, in denen in der Regel dachlastig, also nur unterm Dach, gelagert wurde. Und diese Gulfe haben unseren Höfen auch den Namen Gulfhöfe gegeben.

Ihre Entstehung verdanken die Gulfhöfe rein ökonomischen Erfordernissen. Denn durch die zunehmenden Eindeichungen und anschließenden Entwässerungen der Marschgebiete konnte man mit der Zeit immer größere Flächen für den Getreideanbau nutzen. Und die großen Städte ringsum, wie zum Beispiel Bremen, Hamburg oder Amsterdam, hatten aufgrund wachsender Bevölkerung immer mehr Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten.

Die Bauern in den Marschen konnten Getreide, Fleisch, Butter und Käse preiswert produzieren. Hier gab es viele Häfen, und so wurde alles mit Schiffen in die großen Städte gebracht. Und für diesen immer größer werdenden Bedarf an Nahrungsmitteln brauchte man einfach Höfe mit immer größerem Fassungsvermögen.

Das Vieh war ebenfalls in der Scheune untergebracht, und ich hatte ja eingangs schon die zwei Ständerreihen erwähnt. Diese teilen die Scheune in drei Längsschiffe. Während sich in dem mittleren Schiff – das ist auch zugleich der größere Teil der Scheune – die Gulfe befinden, ist in einem der seitlichen Längsschiffe der Kuhstall untergebracht und in dem anderen Seitenschiff die Dreschdiele, in der gedroschen wurde. Es gab ja damals noch keine Mähdrescher, sondern das Getreide wurde erst einmal ungedroschen in den Gulfen gelagert und dann nach und nach, wie sagt man so schön, die Spreu vom Weizen getrennt.

Die Dreschdiele diente aber auch als Durchfahrtsdiele, das heißt, die Erntewagen fuhren hinten in den Hof ein, luden ihr Erntegut ab und konnten vorne ganz bequem wieder hinausfahren. Das heißt, sie mussten nicht, wie anderswo üblich, rückwärts und umständlich wieder hinausfahren.

Diese Durchfahrtsdiele war damals eine Revolution.

Das gab es so noch gar nicht. Die Diele sorgte aber auch für eine Asymmetrie in den Giebelwänden der Scheune. Das könnt ihr wunderbar sehen, wenn ihr euch mal draußen vor so eine Scheune stellt. Dann fallen euch mit Sicherheit die zwei ungleichen Tore auf: das große Scheunentor – die Spur führt auf die Dreschdiele, da fahren also die Erntewagen rein, heute sind es natürlich Traktoren – und die kleine Tür, das ist das Metzeltor, das führt in den Kuhstall.

Und durch diese Tür wurde der Kuhmist aus dem Kuhstall hinaus transportiert. Also, da soll noch mal einer sagen, wir Ostfriesen sind nicht praktisch veranlagt.

Wo leben nun die Menschen?

Auch im Gulfhaus. Denn im Gulfhaus ist alles unter einem Dach. Gulfhäuser bestehen immer aus zwei Teilen: dem Vorderende – das ist der Wohnteil – und dem Hinterende, das ist der Scheunen- bzw. Wirtschaftsteil. Das Vorderhaus wurde in der Regel bis zur Erdgeschossdecke mit rotem Klinker aufgemauert, um dann das Dach zusammen mit dem Scheunendach fertigzustellen. Die Scheune hat jedoch ein wesentlich herabgezogenes Dach mit nur sehr niedrigen Außenwänden und ist deshalb auch wesentlich breiter als das Wohnhaus.

Der Wohnteil veränderte sich natürlich im Laufe der Zeit. Insbesondere passte man ihn der jeweils zeitgemäßen Architektur an, also mit Verzierungen im Giebel, individuellen Haustüren und Fensterformen sowie Kaminen und Butzen. Und jedes dieser stattlichen Wohnhäuser besaß für gewöhnlich auch ein Fliesenzimmer, was damals etwas ganz Besonderes war.

Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert waren Gulfhöfe große landwirtschaftliche Mischbetriebe. Die Marschenbauern waren in der Regel schon ziemlich reiche Bauern, Polderfürsten nannte man sie auch. Aber durch die Industrialisierung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert rechneten sich diese Mischbetriebe häufig nicht mehr. Die Höfe mussten sich spezialisieren, entweder auf Milchvieh, Mastbetrieb oder Getreideanbau. Und viele Höfe, die sich nicht den neuen Gegebenheiten anpassen konnten, mussten schließen. Die stellten den Betrieb ein.

Der Strukturwandel setzt sich bis heute fort.

Das Prinzip „Wachsen oder Weichen“, das gilt eben immer noch. Wenn ein Hof aufgibt, dann werden die Ländereien an einen anderen Betrieb verkauft. Und die Gewinnerhöfe dieses wirklich tiefgreifenden Strukturwandels werden dadurch natürlich immer größer. Und was passiert mit den nicht mehr benötigten Gulfhöfen?

Natürlich versucht man, sie zu retten. Viele der Höfe stehen unter Denkmalschutz. Sie dienen als Privatwohnungen oder werden zu Ferienwohnungen, Konzerthallen, Schulen, Cafés und Restaurants umgebaut. So bleibt zumindest die äußere Hülle noch erhalten.

Wenn ihr einmal einen historischen Gulfhof besichtigen möchtet, könnt ihr das im Ostfriesischen Landwirtschaftsmuseum in Kampen tun. Zwei historische Gulfhöfe und ein Landarbeiterhaus könnt ihr dort besichtigen und natürlich vieles über die Landwirtschaft in früheren Zeiten erfahren. Also, wenn ihr mal eine Tagesfahrt nach Greetsiel macht, lohnt es sich, einen Abstecher nach Campen ins Museum zu machen, denn Kampen liegt ganz nahe bei Greetsiel. Und wenn ihr sowieso Urlaub auf dem Bauernhof bei uns macht, dann bietet es sich doch förmlich an, dass ihr die Landwirte fragt, ob ihr euch einmal die Scheune anschauen könnt.

Wer Regionales vom Hof haben möchte, zum Beispiel frische Kuhmilch, Eier, Fleisch, Kartoffeln und Obst, wird bestimmt auf unserer Webseite dornum.de fündig. Dort findet ihr nämlich Adressen von Direktvermarktern in Dornum und Umgebung.

Tja, das war’s für heute.

Eure Marlene aus Dornum.

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