Eine himmlische Anziehung
Hast du dich schon mal gefragt, warum die Nordsee manchmal Land ist und manchmal Meer? Stell dir vor, du stehst am Strand von Dornumersiel oder Neßmersiel und siehst, wie das Wasser leise und sachte kommt – ein wahres Naturphänomen!
Der Wechsel von Ebbe zu Flut
Im heutigen Nordsee-Podcast nehmen wir dich mit auf eine Reise durch die faszinierenden Gezeiten der Nordsee. Wir klären, warum der Mond dabei eine größere Rolle spielt als die Sonne und sogar die Fliehkraft ins Spiel kommt.
Oder vorher an den Strand? Dann schnapp dir den Gezeitenkalender und ab an den Strand! Und keine Sorge, Rettungsschwimmer passen auf, dass du immer sicher badest.
Die ganze Episode zum Nachlesen:
Moin und herzlich willkommen bei einer neuen Folge von Teetied und Rosinenbrot, dem Podcast aus Dornum.
Ein typisches Gespräch an unserem Strand in Dornumersiel oder Neßmersiel? Ganz egal.
Sag mal, weißt du, ob das Wasser jetzt kommt?
Nein, ich glaube, es geht.
Echt.
Ja, glaube ich zumindest.
Solche ratlosen Spaziergänger trifft man häufig am Strand. Deshalb geht es heute auch um ein ganz besonderes Phänomen an der Nordsee. Wir müssen mal über die Gezeiten reden.
Es ist ja auch spannend, wenn man sich vorstellt, dass da, wo jetzt die Nordseewellen rauschen, nur ein paar Stunden später Land ist. Und das Ganze passiert sogar zweimal am Tag. Also das Wasser steigt innerhalb von circa sechs Stunden.
Wir nennen es auflaufendes Wasser oder auch Flut. Und wenn das Wasser den höchsten Stand hat, dann haben wir Hochwasser und dann verschwindet das Wasser wieder, auch innerhalb von circa sechs Stunden. Das ist das ablaufende Wasser, die Ebbe. Und wenn der niedrigste Stand erreicht ist, dann haben wir Niedrigwasser. Und diesen ständigen Wechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser nennt man Ebbe und Flut oder die Gezeiten oder auch die Tide und den Tidenhub. Also der Höhenunterschied zwischen Niedrigwasser und Hochwasser beträgt in der Nordsee je nach Ort 2 bis 5 Meter.
Wie entstehen Ebbe und Flut?
Also das ist gewiss. Der Mann im Mond ist dafür bestimmt nicht verantwortlich. Aber unser kleiner Nachbar da oben spielt schon eine entscheidende Rolle. Genauer gesagt, seine Anziehungskräfte.
Und die Sonne?
Die hat auch noch ein Wörtchen mitzureden. Bloß nicht in dem Maße wie der Mond. Dafür ist sie einfach viel zu weit weg.
Ganz wesentlich für Ebbe und Flut ist außerdem die Fliehkraft der Erde. Und damit es nicht zu kompliziert wird, betrachten wir nur die Anziehungskraft des Mondes auf die Erde.
Stellt euch vor, dass die Erde rundherum von einer Wasserhülle umschlossen ist und auf die Stelle der Wasserhülle, die dem Mond genau gegenüberliegt, wirken seine Anziehungskräfte am stärksten. Hier entsteht ein Flutwasserberg und auf die Stelle, die am weitesten vom Mond entfernt liegt, also die mondabgewandte Seite. Da wirken die Anziehungskräfte am schwächsten, aber dafür ist hier die Fliehkraft der Erde viel, viel stärker als auf der mondzugewandten Seite. Und aus diesen Gründen wird das Wasser nach außen gedrückt, in die entgegengesetzte Richtung. So entsteht ein zweiter Flutberg.
Also wollte man das zeichnerisch darstellen, dann sieht die Erde mit den zwei Flutbergen aus wie so eine Ellipse, wie ein Rugbyball. So kann man es sich vorstellen.
Auf dem offenen Meer sind die Flutberge übrigens kaum zu erkennen. Sie sind nicht höher als etwa einen halben Meter und verteilen sich auf einer Distanz von mehreren Tausend Kilometern. Die Wasserhülle wird also in zwei Richtungen gedehnt, und da es auf der Erde nur eine begrenzte Menge an Wasser gibt, muss es ja nun an anderen Stellen logischerweise fehlen.
Das tut es auch jeweils genau im rechten Winkel. Zu den beiden Flutbergen bilden sich zwei sogenannte Ebbe-Täler aus und die Erde dreht sich bei ihrer täglichen Rotation in 24 Stunden vereinfacht gedacht unter diesen beiden Flutbergen und Tälern hindurch. Und deshalb flutet das Meer zweimal täglich zum höchsten Stand auf, dem Hochwasser, und ebbt auch zweimal täglich wieder ab bis zum niedrigsten Stand, dem Niedrigwasser.
Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Denn weil die Erde sich innerhalb genau eines Tages einmal um ihre Achse dreht, der Mond aber gleichzeitig ein Stück weiter wandert, braucht die Erde im Schnitt 24 Stunden und 50 Minuten, um den Mond wieder einzuholen. Und darum dauert es etwa zwölf Stunden und 25 Minuten von Hochwasser zu Hochwasser und zwölf Stunden und 25 Minuten von Niedrigwasser zu Niedrigwasser. Und deshalb verschieben sich die Gezeiten auch täglich. Das wiederum gilt allerdings nur rein rechnerisch. Denn es spielen die geologischen Gegebenheiten hier an der Küste, wie zum Beispiel Buchten, Landvorsprünge oder die Inseln eine Rolle, wie schnell oder langsam die Gezeiten sind. Das heißt, die Gezeitenwelle trifft an jedem Punkt der Küste, je nach den herrschenden Gegebenheiten, zu ortsspezifischen Zeiten ein. Und das hat zur Folge, dass sich an jedem Ort der Küste die Hoch- und Niedrigwasserzeiten von Tag zu Tag ändern.
Die Höhe des auflaufenden Wassers ist auch jeden Tag anders. Das merkt ihr vor allem, wenn ihr öfter mal in der Nordsee schwimmt. Manchmal ist das Wasser so hoch, dass ihr schon nach ein paar Metern sprichwörtlich den Boden unter den Füßen verliert, also schwimmen müsst, und dann wieder an anderen Tagen könnt ihr noch einige Meter rauslaufen, bis das Wasser dann irgendwann mal schwimmtauglich wird. Warum das so ist, will ich aber jetzt nicht vertiefen.
Ich glaube, euch interessiert vielmehr, wo ihr euch in eurem Urlaub hier in Dornum über die aktuellen Hoch- und Niedrigwasserzeiten informieren könnt. Dafür haben wir nämlich die Gezeiten- oder auch Tidekalender. Die bekommt ihr in den Touristinformationen und auf unserer Webseite unter dornum.de/gezeiten. Ihr könnt euch den Kalender auch herunterladen. Und noch einfacher: Wir haben auf dieser Seite auch ein Gezeiten-Tool eingebunden, auf dem die aktuellen Hoch- und Niedrigwasserzeiten ganz anschaulich dargestellt werden.
So. Und nach so viel Theorie geht’s jetzt endlich ab an den Strand. Schließlich ist Sommer.
Viele Menschen tummeln sich jetzt an den Stränden und warten gespannt auf das, was da kommen soll, nämlich die Flut. Und die kommt erst ganz sachte, ganz leise, ja fast sanft. Und da, wo das Wasser zu Anfang noch ganz seicht ist, da ist es auch immer herrlich warm. Denn durch den von der Sonne aufgeheizten Wattenboden erwärmt sich das zunächst ja nur knöcheltiefe Wasser viel, viel schneller. Und wenn das Wasser kommt, dann hält es die Menschen einfach nicht mehr in den Strandkörben und viele laufen dem Wasser ein Stück weit entgegen.
Wie zur Begrüßung eines lang ersehnten Menschen. Und dann, genauso rasch, ganz plötzlich, ist das Wasser so hoch, dass man drin schwimmen kann. Wirklich ein Phänomen. Ach ja, und bei schönem Sonnenwetter glitzert die Nordsee schon von weitem in den allerschönsten Türkis- und Blautönen.
So, und jetzt noch ein Satz zur Sicherheit. Für die ist natürlich gesorgt. An den Stränden in Dornumersiel und Neßmersiel sind die Badebereiche gekennzeichnet, so dass ihr immer genau wisst, wie weit ihr gefahrlos ins Meer schwimmen könnt. Und in den Sommermonaten sind die Strände während der Hochwasserzeiten auch von Rettungsschwimmern bewacht. Und mit einer kleinen netten Anekdote möchte ich mich heute von euch verabschieden.
Es ist schon ein paar Jahre her, da kam ein älteres Ehepaar zu uns in die Touristinformation, um sich ein paar Infomaterialien über Dornum abzuholen. Und die Kollegin, die das ältere Ehepaar bediente, fragte zum Schluss: Darf ich Ihnen denn auch einen „Gezeitenkalender“ mitgeben?
Darauf die ältere Dame ganz verdutzt: „Nein danke, junge Frau, das ist sehr aufmerksam von Ihnen. Aber wissen Sie, unsere Gehzeiten, die legen wir doch lieber selbst fest.“
In diesem Sinne.
Eure Marlene aus Dornum.“