Lust auf Äpfel aus Ostfriesland?
Was hättet ihr denn gerne? Einen knackigen Neuseeländer? Einen fleißigen Riesen oder einen anspruchsvollen Allrounder? Oder, wie gefällt euch ein feinwürziger Sanfter oder ein vielseitiger Jungspund? Nein, es geht hier keinesfalls um die charakterlichen Vorzüge unserer männlichen Zeitgenossen. Es geht um Braeburn, Topaz, Cox Orange, Gloster und Pirella. Es geht um Äpfel.
Das ist der Obsthof Poppinga in Dornumersiel
Wer könnte besser darüber erzählen als Dr. Onno Poppinga, Eigentümer von Poppingas Obsthof in Westeraccum. Auf seiner rund 17 ha großen Obstplantage werden vorzugsweise Äpfel, aber auch Birnen, Zwetschgen und Kirschen im würzigen Nordseeklima angebaut. Also Obst mit der perfekten Prise gesunder, würziger Nordseeluft.
Seit 10 Jahren bewirtschaftet Onno Poppinga den elterlichen Betrieb. Doch wenn man zurück an die Anfänge gehen will muss man noch weiter zurück ins Jahr 1951 gehen, als sein Vater, der Landarzt Dr. Onno Poppinga die ersten zarten Apfelbäumchen gegenüber seinem Wohnhaus in Dornum pflanzte. Was als Hobby begann, wuchs mit den Jahren zu einer ansehnlichen Plantage heran, die windgeschützt durch hohe Pappeln bis heute die einzige in Ostfriesland ist.
Wir produzieren nicht auf Menge, sondern auf Qualität.
Onno, gerade ist die Erntezeit in vollem Gange, also Hochbetrieb bei euch auf der Plantage. Ich sehe viele Erntehelfer in den Baumreihen, die Äpfel pflücken. Das macht ihr noch alles in Handarbeit?
Onno: Ja, das machen wir noch richtig mit der Hand. Möglichst sehr zeitnah, d. h., wenn die Marktfahrer heute etwas auf dem Markt anbieten, dann ist das höchstwahrscheinlich gestern sortiert worden. Damit stellen wir höchste Qualität sicher. Davon leben wir schließlich. Wir können bessere Qualität anbieten, als man sie normalerweise kaufen kann. Aber das heißt natürlich auch, dass man wirklich mit der Hand durchsortieren muss.
Ihr baut ja nicht nur Äpfel, sondern auch typisches Sommerobst, wie z. B. Kirschen an. Dann beginnt bei euch die Erntezeit ja schon viel früher?
Onno: Ja, das geht bereits Mitte/Ende Juni los. Da starten wir mit den Süßkirschen. Da wir verschiedene Sorten haben, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten reifen, zieht sich die Ernte ca. 6 – 7 Wochen hin. Und dann kommen ziemlich schnell die Äpfel und Zwetschen. Das beginnt Im August mit den Frühsorten, die nicht so lange haltbar sind und endet Mitte Oktober mit den Lagersorten. Das sind Apfelsorten, die man kaum sofort essen kann. Die müssen erst mal noch liegen bis sie richtig gut schmecken.
Also geht nicht alles sofort in den Direktverkauf?
Onno: Nein, wir verkaufen das ganze Jahr, weil wir eben einige Sorten bis zum nächsten Sommer lagern können. Dafür haben wir Speziallager, in denen wir die Luftfeuchtigkeit kontrollieren können und sie sozusagen luftdicht lagern können.
Warum ist das denn notwendig?
Onno: Wenn man den Sauerstoffgehalt bei der Lagerung senkt und gleichzeitig den Kohlendioxidgehalt erhöht, bleiben die Früchte länger frisch und knackig. Voraussetzung zum Kontrollieren der Luftzusammensetzung sind luftdichte Räume. Nach dem Einlagern der Äpfel wird der Raum fest verschlossen. Durch die atmenden Äpfel wird dann der Sauerstoffgehalt automatisch gesenkt und der Kohlendioxidgehalt erhöht..
Ah, ihr versetzt die Äpfel sozusagen in Winterschlaf.
Onno: Ja, deshalb können wir im April und Mai immer noch knackige Äpfel anbieten. Das sind dann Lagersorten wie Gala, Elstar, Jonagold, Jonagored oder Wellant. Einen Boskopp bekommt man im Frühjahr nicht. Das ist ein Winterapfel für den Weihnachtsbaum.
Ja und für leckeren Rotkohl … Wieviel erntet ihr im Jahr?
Onno: Oh, das schwankt natürlich. Die Landwirtschaft ist ja abhängig vom Wetter. Ungefähr 400 t Äpfel ernten wir im Jahr. Bei den Kirschen sind es 10 – 15 t.
Das verkauft ihr dann alles in eurem Hofladen?
Onno: Im Hofladen verkaufen wir einen Großteil unseres Obstes. Aber auch andere Produkt, wie Kleikartoffeln, Marmelade, Apfelchips und Apfelsaft von unseren eigenen Äpfeln. Somit können wir dann auch die Äpfel mit Schalenfehler optimal verwerten. Dann beliefern wir natürlich die umliegenden Wochenmärkte in Norden, Aurich, Wittmund, Esens und Emden, die Milchtankstellen, Raiffeisenmärkte und auch einige Supermärkte.
Und regionale Produkte sind ja generell im Trend, oder?
Onno: Ja, der Bedarf ist da und wächst.
Liegt das an der Qualität?
Onno: Ja, bestimmt. Die besseren Äpfel hat man nun mal, wenn die Reife direkt am Baum entsteht und die Äpfel in reifem Zustand gepflückt werden. Die meisten Supermarktäpfel stammen aus Italien, Chile oder Neuseeland. Da ist der Transportweg so lang, dass die Äpfel in unreifem Zustand gepflückt werden müssen. Das geht eben auf die Qualität. Das schmeckt man am Ende doch.
Spielt das Aussehen der Äpfel denn eine entscheidende Rolle beim Kaufen?
Onno: Ja, tatsächlich gehen viele Leute nach der Farbe. Wobei die Farbe eigentlich gar nicht so viel über den Geschmack aussagt. Es gibt auch immer wieder Moden oder Sorten, die eben halt sehr beliebt sind, wie Elstar oder Jonagold. Die kennt jeder. Da müssen wir uns auch dem Geschmack anpassen. Aber wir haben auch ein paar Sorten, von denen wir so überzeugt sind, dass wir die anpflanzen auch wenn es keine Modesorten sind.
Welche sind das?
Onno: Der Karmijn zum Beispiel, der schmeck noch ein bisschen wie der alte Boskopp. Obwohl man den Karmijn optisch vielleicht nicht unbedingt als erste Wahl bezeichnen würde. Aber er ist so ein besonderer Apfel, den wir in jedem Fall weiterverkaufen werden und nicht dem Kundegeschmack nachgehen werden. Lieber wollen wir in dem Fall geschmackliche Qualität bieten. Da sind wir in Deutschland fast die einzigen, die den produzieren. Der Karmijn ist etwas mürbe und eignet sich übrigens hervorragend für Apfelmus und Apfelkuchen. .
Wie viele Apfelsorten verkauft ihr überhaupt hier in Dornum?
Onno: Wenn man die Frühsorten mitrechnet, dann sind das 20 verschiedene Apfelsorten.
Und ihr kennt die Vorzüge der unterschiedlichen Sorten auch genau?
Onno: Ja, natürlich. Wenn uns ein Gast verrät, welche Wünsche er hat, also ob eher sauer oder fester, oder mit einem hohen Vitamin C Gehalt – da können wir entsprechend beraten und auch anbieten.
Und probieren darf man auch?
Onno: Ja klar. Wir halten auch immer noch die alte Tradition aufrecht, jedem Schulkind, das vorbeikommt, einen kostenlosen Apfel anzubieten.
Wie gesund sind Äpfel?
Ein Apfel besteht zwar zu 85 Prozent aus Wasser, aber die restlichen Inhaltsstoffe haben es in sich: Das Obst enthält sekundäre Pflanzenstoffe, die vor Krebs schützen können, und jede Menge Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. So stecken zum Beispiel Kalium, Kalzium und Magnesium, die B-Vitamine 1, 2 und 6, Vitamin E und Folsäure in dem Obst.
Äpfel sind außerdem ein wichtiger Vitamin-C-Lieferant, wobei der Gehalt je nach Lagerung und Sorte stark variiert. Ein Großteil der Vitamine sitzt direkt unter der Schale, weshalb man diese nicht entfernen sollte. Ein Apfel hat nur 45 bis 60 Kilokalorien pro 100 Gramm und eignet sich damit gut für eine gesunde, kalorienarme Ernährung.
Ja, das weiß ich von meinen Kindern noch. Die erinnern sich da noch dran … Mittlerweile gibt es ja auch sogenannte Snackäpfel und Clubäpfel. Also ganz neue Züchtungen. Was ist da denn so neu dran?
Onno: (lächelt): Im Gegensatz zu Standardsorten wie Golden Delicious oder Granny Smith, die allen Produzenten in der ganzen Welt frei zum Anbau zur Verfügung stehen, haben gemanagte Sorten oder sogenannte Clubäpfel einen Besitzer, der seine Inhaberrechte an diesem Apfel durch einen in der EU hinterlegten Sortenschutz gesichert hat. Produzenten müssen mit dem Inhaber der Sortenrechte Lizenzverträge für den Anbau und die Vermarktung abschließen.
Darin wird unter anderem festgelegt, dass ein bestimmter Prozentsatz der Erlöse in Form von „Royalties“ an den Rechteinhaber geht. Diese Apfelsorten werden meistens nicht mit ihrem Sortennamen, sondern unter einer Marke verkauft. Zum Beispiel Pink Lady, oder Kanzi.
Ich halte mehr davon, die alten Sorten zu nehmen.
Wir haben immer noch Boskopp und Ingrid Marie und solche Sorten. Ich bin sicher, dass diese alten Sorten ein höheres Interesse verdient haben, als diese neumodischen Züchtungen.
Ob ein Apfel im Rheinland, am Bodensee oder bei uns im Nordseeklima reift, schmeckt man da einen Unterschied??
Onno: Ja, das schmeckt man schon, das macht eine besondere Würzigkeit und Herzhaftigkeit aus. Das heißt nicht, dass der Apfel in irgendeiner Form salzig ist (lacht), aber er ist wüziger.
Kaufen viele Urlaubsgäste bei euch?
Onno: Ja, es kommen viele hierher. Ich glaube, dass die Verbraucher aufgrund des Klimawandels und vor allem wegen der Corona-Pandemie bewusster einkaufen. Gesundheit ist eben nicht selbstverständlich und hat auch viel mit gesünderer Ernährung zu tun. Regionale Lebensmittel haben auch im Zusammenhang mit der Pandemie an Attraktivität gewonnen.
Aber ihr seid kein Biobetrieb?
Onno: Nein, wir sind kein zertifizierter Biobetrieb. Wir haben hier einen gewaltigen Vorteil: Wir können mit Pflanzenschutzmitteln sehr zurückhaltend arbeiten, weil wir den Vorteil einer Alleinlage genießen. Hier gibt es kaum Infektionsdruck, also keine Plantagen in der Nachbarschaft, die uns den Apfelwickler oder bestimmte Pilzsorten in Mengen bescheren.
Ich denke wir stehen als Gesellschaft insgesamt vor der Aufgabe, dass wir die gesamte Landwirtschaft umweltverträglich gestalten müssen.
Und so, wie wir das in unserem Betrieb machen, tragen wir dazu bei, gesunde Lebensmittel zu produzieren. Wir lassen unser Obst regelmäßig untersuchen und lassen Bodenproben entnehmen.
Was passiert nach der Ernte? Dann steht die Arbeit bestimmt nicht still, oder?
Onno: Nach der Ernte müssen alle 25 000 bis 30 000 Bäume beschnitten werden. Sie werden klein gehalten, damit sie einen optimalen Ertrag bringen. Aber wir produzieren nicht auf Menge, sondern auf Qualität. Damit jeder Apfel genug Platz zum Wachsen hat und genug Licht bekommt, wird im Frühsommer ausgedünnt. Das ist zwar ein zusätzlicher Aufwand, aber die Äpfel werden nur dann lecker und süß, wenn Sonne an die Früchte kommt.
Na ja, und im Frühjahr oder Herbst nehmen wir auch die Neuanpflanzungen vor. Das sind dann zweijährige Bäume, die wir aus der Baumschule bekommen. Ab dem 3 oder 4. Jahr kann man so allmählich die ersten Äpfel ernten. In voller Tracht stehen die im 6./7. Jahr.
Puuh, dann müsst ihr ja eine ziemlich große finanzielle Durststrecke bei überwinden.
Onno: Ja, Obstanbau ist eine sehr langwierige Geschichte. Die Investitionskosten pro Hektar sind ziemlich hoch. Man muss 2.000 – 2.500 Bäume pro Hektar rechnen plus die Pfähle. Wir müssen die Bäume hier aufgrund der Wetterverhältnisse zwingend anbinden. Das sind dann pro Baum schon Investitionskosten von 20 – 30 €.
Wieviel Angestellte habt ihr?
Onno: Neben unserem Betriebsleiter Andre Dekena haben wir noch vier Festangestellte, die die Wochenmärkte, Milchtankstellen, Supermärkte usw. beliefern. In der Ernte kommen dann noch einmal bis zu zehn Erntehelfer dazu.
Dann führst du den Betrieb nicht hauptberuflich?
Onno: Nein, studiert habe ich Meeresbiologie mit Nebenfach Obstbau. Von 1992 bis 1995 war ich Bundesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) in Bonn und arbeitete später im Niedersächsischen Landtag als Referent für Umwelt und Landwirtschaft. Heute bin ich Geschäftsführer der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung (NUE), die auch mit der Umweltlotterie Bingo zusammenarbeitet.
Dann hast du noch Zeit für den elterlichen Betrieb?
Onno: Ja, ich betrachte es als meine Aufgabe. Es ist das Lebenswerk meiner Eltern. Ihr großes Hobby. Das will ich versuchen fortzuführen.
Onno abschießend noch eine Frage, die glaube ich, viele interessiert: Wie bleiben meine Äpfel zuhause lange schön frisch und knackig?
Onno: Am besten funktioniert das natürlich im dunklen, feuchten Keller. Man kann sich auch einen Erdkeller anlegen. Das wären ideale Bedingungen. In jedem Fall sollte man sie feucht und kühl lagern, und nicht verschlossen in einer Tüte hinlegen, sondern einzeln hinlegen.
Und auf keinen Fall in einer Plastiktüte aufbewahren.
Die Äpfel produzieren Ethylen, das wirkt in einer Plastiktüte wie eine Reifebeschleuniger.
Was ist Ethylen?
Onno: Das ist ein wichtiges Pflanzenhormon. Äpfel haben davon besonders viel. Es beeinflusst viele wichtige Prozesse bei Pflanzen, z. b. das Wachstum, die Reifung der Früchte, die Entwicklung der Blüten und das Abwerfen der Blätter im Herbst. Deshalb sollten Äpfel nicht mit anderen Obstsorten zusammen in einer Obstschale liegen. Sondern immer getrennt und einzeln.
Eine Geschmacksfrage: Wenn du auf eine Reise nur ein Stück Obst mitnehmen dürftest, welches wäre es?
Onno: Ein Karmijn-Apfel. Wir haben die Sorte vor 35 Jahren aus den Niederlanden eingeführt. Ich bin von dem charaktervollen Geschmack dieses Apfels überzeugt wie am ersten Tag. Er hat eine leicht säuerliche Note und ein spezielles würziges Aroma. Den mag ich!