Häuptlinge, Henker und Herrlichkeit

Dornums Burgen und ihr steinernes Erbe

In dieser Folge von „Teetied und Rosinenbrot“ nehmen wir euch mit auf eine Reise in die Vergangenheit von Dornum, einem der geschichtsträchtigsten Orte Ostfrieslands.

Mit seinen roten Klinkergassen, alten Bäumen und historischen Gebäuden scheint es fast, als ruhe das Städtchen in sich selbst – ganz ostfriesisch, gelassen und unaufgeregt. Doch hinter den Mauern der Norderburg und der Beningaburg verbergen sich dramatische Geschichten voller Macht, Rache und Intrigen.

Ein Dorf mit drei Burgen und einem Familiendrama

Dornum war einst ein Zentrum ostfriesischer Häuptlingsherrschaft. Drei Burgen standen hier um 1400 – alle im Besitz der Familie Attena. Doch ihr Ruhm endete blutig: Vater und Sohn wurden enthauptet, die Burgen zerstört. Nur die Norderburg und die Beningaburg wurden wieder aufgebaut und erzählen noch heute von längst vergangenen Zeiten.

Wie wurde die Norderburg zum prachtvollen Wasserschloss? Warum wäre die Beningaburg beinahe einem Parkplatz gewichen? Und was hat es mit Dornums geheimnisvollem Herrlichkeitsstatus auf sich?

All das erfahrt ihr in dieser Folge – inklusive düsterer Familiengeheimnisse, adliger Bauprojekte und einem Schloss, das heute die wohl schönste Realschule Deutschlands beherbergt. Also, macht euch bereit für eine spannende Zeitreise!

P.S. Erlebt die Dornumer Burgen beim Rundgang durch die Herrlichkeit oder nutzt die Führungen.

Zugvögel im Wattenmeer und der Nordsee
Grünkohl das Nationalgericht der Ostfriesen
Die Burgen und Herrlichkeiten von Attena und Dornum

Die ganze Episode zum Nachlesen:

Moin und herzlich willkommen bei einer neuen Folge von Teetied und Rosinenbrot, dem Podcast aus Dornum.

Manche bezeichnen sie als Dornröschen, andere als ein bezauberndes Kleinod – gemeint ist Dornum. Allerdings nicht die Gemeinde, sondern der gleichnamige Ort Dornum, der zugleich unser Verwaltungssitz ist und etwa fünf Kilometer südlich von Dornumersiel liegt.

Dornum ist ein Ort voller Geschichte. Viele historische Gebäude sind hier erhalten geblieben, sodass man sagen kann: Hier ist ostfriesische Geschichte in Stein gemeißelt. Mit seinen knapp über 1.000 Einwohnern wirkt Dornum ein wenig verschlafen – daher wohl auch der Vergleich mit Dornröschen. Doch gerade die historischen Häuser, die roten Klinkergassen, die schmalen Lohnen (so nennen wir hier die kleinen Gassen) und der alte Baumbestand verleihen dem Ort eine besondere Atmosphäre. Es scheint fast so, als ruhe Dornum in sich selbst – ganz ostfriesisch, gelassen und unaufgeregt.

Ein Ausflug in dieses charmante Städtchen lohnt sich auf jeden Fall! Die meisten Besucher kommen wegen unseres beeindruckenden Wasserschlosses, der Norderburg. Sie gilt als eine der größten und aufwendigsten Barockanlagen in Ostfriesland. Aber auch die Beningaburg mitten im historischen Ortskern ist einen Besuch wert. Sie steht oft im Schatten der Norderburg, doch wer sich die Zeit nimmt, sie genauer anzusehen, kann dort noch wunderbar den typischen ostfriesischen Burgcharakter entdecken.

Die Burgen und Herrlichkeiten von Attena und Dornum

Die drei Burgen von Dornnum

Und genau um diese beiden Burgen geht es in der heutigen Folge. Wusstet ihr, dass um 1400 in Dornum sogar drei Burgen standen? Neben der Norderburg und der Osterburg gab es damals auch die Westerburg. Alle drei waren im Besitz der Häuptlingsfamilie Attena.

Mit Hero Attena, dem vermutlichen Erbauer der Burgen, verbindet sich eines der bekanntesten – und tragischsten – Familiendramen der ostfriesischen Geschichte. Eine Geschichte, die sogar literarisch verarbeitet wurde…

Hero Attena und sein Sohn Lüdeke wurden auf der Norderburg hingerichtet. Warum?

Lüdeke hatte seine Frau Ocka wegen angeblicher Untreue und Aufsässigkeit erschlagen – und das auf Anraten seiner Schwiegermutter Folke Campana, einer berühmten Häuptlingsfrau aus dem Brookmerland. Doch der grausame Tod ihrer Tochter ließ Folke Campana keine Ruhe. Getrieben von Rache zog sie mit einem Heer nach Dornum, umzingelte die Norderburg, in die sich Lüdeke geflüchtet hatte, nahm sie ein und ließ Vater und Sohn kurzerhand enthaupten.

Die drei Burgen von Dornum wurden Anfang des 16. Jahrhunderts während kriegerischer Auseinandersetzungen völlig zerstört. Nur die Norderburg – das heutige Wasserschloss – und die Osterburg, also die Beningaburg, wurden anschließend wieder aufgebaut. Von der Westerburg blieb nichts erhalten.

Nach den Attenas folgte die Familie Kankena als Herrscher über die Norderburg. Sie schafften es, Dornum zu einer sogenannten Herrlichkeit zu erheben. 1481 erhielt Dornum die Herrlichkeitsrechte – ein Privileg, das bedeutete, dass die Kankenas nun verschiedene Hoheitsrechte ausüben durften. Dazu gehörten das Zollrecht, das Wegerecht, das Strandrecht, das Jagdrecht und – am bedeutendsten – die Gerichtsbarkeit. Damit hatten die Häuptlinge in Dornum die absolute Gewalt über ihr Territorium.

Allerdings gab es einen kleinen Wermutstropfen: Die Kankenas mussten die Oberhoheit der ostfriesischen Grafen anerkennen. Das bedeutete, sie durften sich weder Grafen noch Fürsten nennen – ihr offizieller Titel lautete lediglich Herren.

Doch das wohl bedeutendste Häuptlingsgeschlecht für die Norderburg war die Familie von Closter. Sie stammten ursprünglich aus Holland und waren durch Heirat in die Familie Kankena eingetreten. Vor allem Harro Joachim von Closter prägte die Burg maßgeblich: Ab 1698 ließ er sie zu einer imposanten, vierflügeligen Schlossanlage ausbauen – mit Vorburg, Schlossturm und einem prachtvoll verzierten Schlossportal, das bis heute erhalten ist.

Außerdem ließ Harro Joachim von Closter prachtvolle Gärten anlegen und schuf rund um das Schloss einen eindrucksvollen Park. Das gesamte Areal – mit innerem und äußerem Schlossgraben, den angrenzenden Nebengebäuden und dem Schlosswald – erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 38.000 Quadratmetern.

Offenbar waren das späte 17. und frühe 18. Jahrhundert wirtschaftlich sehr stabile Zeiten, denn nur so konnten all diese kostspieligen Ausbauten realisiert werden. Doch es gab noch einen weiteren Grund: Harros zweite Ehefrau, Sophie von Danckelmann, stammte aus einer äußerst wohlhabenden Familie und brachte beträchtliches Vermögen in die Ehe ein. Ein großer Teil des Schlossausbaus wurde durch ihr Geld finanziert. Zudem soll Harro am Sklavenhandel beteiligt gewesen sein, was ihm ebenfalls erhebliche Einnahmen verschaffte.

1930 wollte die Familie von Closter das Schloss verkaufen – doch das erwies sich als äußerst schwierig. Offenbar wollte niemand das Anwesen erwerben. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Land Niedersachsen neuer Eigentümer. Einige Jahre später zog eine private Mittelschule in das Schloss ein, die später in eine öffentliche Realschule umgewandelt wurde.

Und so wurde aus den einst herrschaftlichen Gemächern eine Schule – die wohl schönste Realschule Deutschlands, wie ich finde. Der prachtvolle Park und die kunstvollen Gartenanlagen? Sie wurden zum Schulhof.

Die Burgen und Herrlichkeiten von Attena und Dornum

Die schönste Schule Deutschlands?

Da das Schloss heute als Schule genutzt wird, ist das Innere nur begrenzt zugänglich. Wer den Innenhof, das Foyer und den wunderschön restaurierten Rittersaal besichtigen möchte, kann dies von April bis Oktober an Wochenenden und Feiertagen zwischen 11:00 und 16:00 Uhr tun. Übrigens: Der Eintritt ist frei!

Natürlich dient das Schloss heute auch als Veranstaltungsort. Hier finden unter anderem die jährlichen Ritterspiele, Kunstausstellungen, Musikveranstaltungen und viele weitere Events statt.

Die Osterburg, die ebenfalls der Familie Attena gehörte, gelangte 1545 in den Besitz der Familie Beninga. Fast 200 Jahre lang prägten die Beningas das Schicksal der Burg – und gaben ihr ihren Namen: Beningaburg. So wird sie auch heute noch genannt.

Die Architektur der Beningaburg spiegelt ihre bewegte Geschichte wider. Über die Jahrhunderte wurde sie mehrfach renoviert und erweitert. Doch im 19. Jahrhundert begann ihr aristokratischer Glanz langsam zu verblassen, und schließlich ging sie in Privatbesitz über.

In den 1970er-Jahren verfiel die Burg so stark, dass bereits über ihren Abriss nachgedacht wurde – zugunsten eines Parkplatzes! Welch ein Frevel! Doch zum Glück kaufte 1971 ein lokaler Geschäftsmann die Burg und restaurierte sie in mühevoller Arbeit über fast acht Jahre hinweg. Dank seines Engagements verwandelte sich das heruntergekommene Gebäude in ein charmantes Hotel.

Allerdings gibt es das Hotel heute nicht mehr. Die Burg wechselte erneut den Besitzer und wird nun ausschließlich privat genutzt.

Wenn ihr euch die Beningaburg, das Wasserschloss und viele weitere historische Kostbarkeiten in Dornum anschauen möchtet, folgt am besten dem ausgeschilderten Leitsystem. Die Route ist mit einem markanten Symbol gekennzeichnet und führt euch auf einem Rundgang durch Dornum. Es gibt dazu auch einen Flyer, und vor vielen Gebäuden stehen Infostelen mit detaillierten Informationen zu den Sehenswürdigkeiten.

Eure Marlene aus Dornum.

Der Nordsee Podcast aus Dornum

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