Die salzige Nordsee
Auf einen Liter Meerwasser kommen 35 Gramm oder etwas anschaulicher etwa anderthalb gehäufte Esslöffel Salz. Doch hast du dich je gefragt, warum das Wasser der Nordsee so salzig ist? Ein junger Mann, eine magische Mühle und ein unerwartetes Abenteuer – das sind unsere Zutaten, um das Rätsel des salzigen Wasser zu lösen.
Das Geheimnis der magischen Mühle
Begleite uns im Nordsee-Podcast auf eine Reise durch die Zeit. Entdecke die Legende eines magischen Geräts, das endlos Salz produzierte, bis es ein ganzes Schiff zum Sinken brachte.
Hör dir an, wie Marlene aus Dornum diese alte Überlieferung zum Leben erweckt und warum du heute das Salz auf deinen Lippen in der Nordsee spürst.
Die ganze Episode zum Nachlesen:
Moin und herzlich willkommen bei einer neuen Folge von Teetied und Rosinenbrot, dem Podcast aus Dornum.
„Wer schon einmal in der Nordsee geschwommen ist und aus Versehen etwas Wasser geschluckt hat, der weiß, dass das Wasser der Nordsee ziemlich salzig ist. Und wenn das Wasser dann verdunstet, bleibt oft eine feine weiße Salzschicht auf der Haut zurück.
Das Nordseewasser besteht nämlich zu 3,5 Prozent aus Salz.
Auf einen Liter Meerwasser kommen also 35 Gramm oder etwas anschaulicher etwa anderthalb gehäufte Esslöffel Salz. Und oft sind es Kinder, die dann fragen, warum das Wasser so salzig ist und wo das Salz überhaupt herkommt. Und das kann man dann wahrscheinlich auch erklären. Meistens weiß man es ja noch aus der eigenen Schulzeit, dass das Salz aus dem Gestein der Erdkruste kommt und dass dieses Salz durch das Regenwasser aus dem Gestein gelöst wird und dann über Bäche und Flüsse ins Meer transportiert wird.
Das Märchen, wie das Salz ins Meerwasser kam.
Man kann die Geschichte aber auch ganz anders erzählen als Märchen. Märchen haben ja auch den Sinn, unerklärliche Dinge in der Natur zu erklären. Und dieses Märchen hat der Lehrer und Schriftsteller Theodor Kohlshörn im 19. Jahrhundert aufgeschrieben.
Die Geschichte, wie das Salz ins Meerwasser kam, wurde früher an der ganzen Nordseeküste erzählt und es gibt sie in den verschiedensten Varianten, so auch diese:
Es war einmal. Vor langer, langer Zeit lebte an der Nordseeküste ein Junge namens Marten, und weil seine Eltern früh gestorben waren, lebte er bei seiner Großmutter.
Marten wünscht sich nichts sehnlicher, als einmal zur See zu fahren, wenn er alt genug ist. Und so heuert er nach der Schule als Schiffsjunge auf einem großen Segelschiff an. Marten lebt bei seiner Großmutter in sehr ärmlichen Verhältnissen und so fällt es ihm schwer, sie um etwas Geld für die lange Schiffsreise zu bitten. Die Großmutter überlegt kurz, dann geht sie in ihre Kammer und kommt mit einer kleinen alten Handmühle heraus. Sie schenkt ihm die Mühle mit den Worten:
Marten, jetzt hör mir gut zu. Wenn du zu dieser Mühle sprichst Mühle, Mühle, mahle mir die und die Sachen gleich alle hier und drehe sie dabei nach rechts, so mahlt dir die Mühle, was du willst. Und wenn du dann sagst Mühle, Mühle, steh still, weil ich nichts mehr haben will, und dabei die Mühle nach links drehst, dann hört sie auf zu mahlen.
Hast du das verstanden, Marten? Er hat verstanden, bedankt sich und verabschiedet sich von der Großmutter. Und immer, wenn er auf seiner langen Schiffsreise Geld braucht, dann nimmt er seine kleine Mühle und sagt : „Mühle, Mühle, mahle mir etwas Geld all hier“. Dann drehte er dabei die Mühle nach rechts, gerade so, wie es die Großmutter gesagt hat. Und dann fallen immer Geldstücke aus der Mühle, und wenn er meint, er hat genug Geld zusammen, dann dreht er die Mühle nach links und spricht „Mühle, Mühle, steh still, weil ich nichts mehr haben will.“
Und tatsächlich: Die Mühle stellt ihre wundersame Geldproduktion ein. Es dauert natürlich nicht lange, bis der Kapitän Wind von der Geldvermehrung des armen Schiffsjungen bekommt. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen, denkt er.
Eines Abends ruft er den Jungen in die Kapitänskajüte und sagt:
„Ich weiß, dass du, sagen wir, gewisse magische Fähigkeiten hast. Wenn du auf meinem Schiff bleiben willst, dann zaubere mir den köstlichsten Rotwein zum Abendessen.“
Marten geht zu seiner Koje, nimmt seine Mühle, spricht den Zauberspruch, dreht die Mühle im Uhrzeigersinn und kehrt mit einem Krug voll köstlichem Rotwein zum Kapitän zurück. An einem anderen Abend aber, als der Kapitän wieder Appetit auf eine andere köstliche Speise hat, beobachtet dieser Marten heimlich und unbeobachtet aus der Ferne, wie der Junge eine alte Handmühle nimmt, den Spruch spricht und die Mühle im Uhrzeigersinn dreht. Und tatsächlich, er kann es kaum glauben: Die Mühle produziert das, was er dem Jungen befohlen hat.
Der Kapitän hat genug gesehen und geht schnell in seine Kajüte. Marten hat nichts davon mitbekommen, und als er nach der Schiffsreise wieder zu Hause bei seiner Großmutter ist, schleicht sich der Kapitän eines Nachts, als alle schlafen, in die Kajüte und stiehlt die alte Zaubermühle. Er fährt mit seinem Schiff hinaus auf die Nordsee, ganz allein, denn er will niemanden dabei haben, wenn er die Mühle ausprobiert. Erst als er weit genug von der Küste entfernt ist, nimmt er die Mühle und probiert sie aus.
Und weil er zu Hause so einen süßen Kuchen gegessen hat und von dem ganzen Süßen genug hat, denkt er sich: Ach, ein bisschen Salz könnte jetzt nicht schaden. Und als er die Mühle ausprobiert, findet er die Idee ganz gut. Also nimmt er sie, sagt Mühle, Mühle, mahle mir weiße Salzkörner gleich allhier. Und dreht die Mühle auf den Kopf. Und siehe da, die Mühle malt ganz viele kleine weiße Salzkörner. Und als er genug Salz hat, sagt er zur Mühle. Jetzt ist aber genug.
Aber die Mühle mahlt und mahlt und mahlt.
Hör auf, hör auf! schreit er wütend. Denn er kennt den richtigen Spruch nicht und weiß auch nicht, wie er die Mühle drehen soll. Denn wie man die Mühle richtig anhält, das hat er damals nicht verstanden, als er Marten zugesehen hat. Und so produziert die Mühle munter weiter Salz, bis die Kajüte voll ist. Da nimmt der Kapitän in seiner Verzweiflung sein Schwert und schlägt auf die Mühle ein.
Da zerbricht sie in viele kleine Stücke, und aus jedem dieser kleinen Stücke wird wieder eine Mühle, und jede mahlt weiße Salzkörner. Und bald ist das ganze Schiff voller Salz. Überall Salz. Und das Schiff sinkt, sinkt auf den Grund des Meeres, und da sind die Mühlen heute noch und machen ewig Salz.
Und siehe, das Meerwasser ist so salzig.
Eure Marlene aus Dornum.“