Weihnachten auf hoher See
In der neuesten Episode von „Teetied und Rosinenbrot“ erzählt Marlene aus Dornum die bewegende Geschichte der Radiosendung „Gruß an Bord“. Seit 1953 übermitteln Angehörigen ihre Weihnachtsgrüße an die Liebsten auf hoher See.
Ursprünglich vom legendären Radio Norddeich ins Leben gerufen, verbindet die Sendung bis heute Seeleute mit ihren Familien. Marlene beschreibt die technische Entwicklung von der Morse- zur Satellitenkommunikation und die emotionale Bedeutung der Botschaften, die auch in Zeiten von WhatsApp und Facetime nichts von ihrem Zauber verloren haben.
Grüße an die Liebsten
Mit ihrer einzigartigen Mischung aus Tradition, Nostalgie und moderner Weihnachtsstimmung bleibt „Gruß an Bord“ eine der ältesten und berührendsten Radiosendungen der Welt. Nimm dir 7 Minuten Zeit und komm mit Marlene auf See.
P.S. Höre als Bonus unsere Spotify-Playliste „Gruß an Bord“ mit einer Hommage an das Radio.
Die ganze Episode zum Nachlesen:
Moin und herzlich willkommen bei einer neuen Folge von Teetied und Rosinenbrot, dem Podcast aus Dornum.
Es ist das Jahr 1959, Heiligabend, ziemlich stürmisches Wetter auf See, wie ja meist um diese Jahreszeit. Ein Stückgutfrachter kämpft sich auf dem Nordatlantik durch die Wellen und im Funkraum des Schiffes drängt sich die Mannschaft um das Radio und lauscht gebannt den Nachrichten aus der Heimat.
Gruß an Bord
Gruß an Bord heißt die Sendung, die die Seeleute gerade hören:
Wir grüßen herzlich auf alle Schiffe. Wir grüßen herzlich die, die uns jetzt zuhören.
So ähnlich tönt es aus dem Radio wohl damals noch mit dem typischen Äther. Rauschen und Knistern. Die Sendung ist eine Brücke zwischen den Seeleuten, die oft monatelang auf den Weltmeeren unterwegs sind, und den Angehörigen, die allein zu Hause bleiben.
In der Radiosendung können die Angehörigen ihre Grüße an ihre Liebsten übermitteln, die über Weihnachten weltweit auf den Meeren unterwegs sind. Und die Idee zu dieser Sendung hatte der Norddeutsche Rundfunk, der NDR. Und möglich machte sie die älteste und größte Küstenfunkstelle Deutschlands. Und die stand hier in Ostfriesland in Norddeich, einem unserer Nachbarbadeorte.
Radio Norddeich als Ursprung
Über Radio Norddeich wurde die Sendung 1953 zum Ersten Mal ausgestrahlt. 1905 begann die Post mit der Errichtung dieser Küstenfunkstation und der Standort war damals ganz bewusst so gewählt worden, denn man wollte die britische Vorherrschaft im Seefunk beenden und deshalb musste die Station so weit wie möglich ans Meer herangebaut werden.
Man wollte natürlich auch so weit wie möglich in den englischen Kanal und in den Atlantik funken können. Also blieb nur Ostfriesland in der nordwestlichsten Ecke von Deutschland übrig und mit vier Masten jeder 65 Meter hoch und einem dazwischen gespannten Netz von Kupferdrähten. Als Antenne nahm 1907 die erste Sende und Empfangsanlage offiziell den Betrieb auf. Zunächst noch mit der Funktelegraphie, also. Nachrichten wurden mithilfe des Morsealphabets im Tastfunk-Verfahren übermittelt.
Das änderte sich so allmählich ab der 20er, dreißiger Jahre. Da setzte sich der Sprechfunk durch, und so war die Küstenfunkstation lange Zeit für Seeleute, Reedereien und Familien der einzige Weg zur Übermittlung von privaten und geschäftlichen Nachrichten. Heute geschieht die Übermittlung über moderne Satellitenkommunikationstechniken. Neben Gesprächen gab die Funkstation damals auch Wetterdaten und Sturmflutwarnung heraus und fing Notrufe von Schiffen in Seenot auf. Denn die Männer und Frauen von Radio Norddeich erfuhren natürlich als erste, wenn irgendwo auf See sich Katastrophen anbahnten.
Weihnachtsgrüße an die hohe See
Aber darüber hinaus? So richtig bekannt wurde Radio Norddeich mit der legendären Traditionssendung Gruß an Bord. Bis Ende der 1990 er Jahre wurden die Weihnachtsgrüße jedes Jahr von Radio Norddeich versendet, bis es 1998 endgültig hieß Goodbye forever. Over and out. Und Norddeich Radio stellte den Funkbetrieb ein. Und heute können sich die meisten Seeleute am Heiligabend per WhatsApp oder Facetime den Tannenbaum zu Hause anschauen.
Aber der Gruß an Bord, der funkt noch immer.
Letztes Jahr hatte die Sendung 70 jähriges Jubiläum und somit gehört sie zu den ältesten Radiosendungen der Welt. Man sagt Gruß an Bord gehört beim Norddeutschen Rundfunk zum Heiligabend wie Dinner for One zu Silvester. Und in diesem Jahr wird Gruß an Bord am 24.12. ab 20:00 auf NDR Info ausgestrahlt. Und damit sie auch im letzten Hafen der Welt gehört werden kann, werden für den Festtag vom NDR extra Kurzwellenfrequenzen angemietet.
Natürlich wird die Sendung bereits schon vor Heiligabend aufgezeichnet und diese Aufzeichnung findet meist in einem der Seemannsheim oder der Seemannsmissionen in Hamburg statt. Dafür werden die Räumlichkeiten dann hübsch weihnachtlich dekoriert. Für die Angehörigen, die zur Sendung anreisen, gibt es schön gedeckte Tische mit Kaffee und Weihnachtsgebäck. Das Programm wird musikalisch umrahmt und ein Moderatorenteam führt durch die Sendung und verliest die Grußbotschaften, die die Angehörigen meist schon Wochen vorher an den Sender geschickt haben. Und die Angehörigen, die live dabei sind, die dürfen dann selbst ans Mikro treten und ihre Grüße an die Liebsten auf hoher See übermitteln. Ja, man könnte sagen Heiligabend vorweggenommen. Und so soll die Sendung ja auch sein. Gemütlich, atmosphärisch. Heute würde man wahrscheinlich sagen authentisch. Eben stimmungsvoll.
Diese eine Liebe …
Aber die Botschaften, die gehen heute nicht mehr nur an Frachtschiffe und Fischereischiffe, so wie früher. Das hat sich natürlich erheblich erweitert. Grüße gehen heute an Kreuzfahrtschiffe, an Forschungsschiffe, an Seenotrettungskreuzer oder an Einheiten der Marine. Aber immer noch geht es hauptsächlich um die Seemannsfamilien selbst und die gefühlvollen, manchmal melancholischen, manchmal fröhlichen Botschaften der Angehörigen und der Seeleute.
Die spiegeln auch das Leben wider, das natürlich weitergeht, zu Hause und an Bord. So wie diese Grußbotschaft einer jungen Frau: „Jetzt sind wir anderthalb Jahre verheiratet und haben letztes Jahr ein Haus gekauft. Und nächstes Jahr erwarten wir unser gemeinsames Kind. Und ich wünsche dir auch ein frohes Fest und ich vermisse dich ganz doll.“
Eine Mutter nimmt das Mikrofon und wünscht ihrem Sohn, der auf einem Containerschiff als Erster Offizier irgendwo zwischen Montevideo und Hongkong unterwegs ist, neben Weihnachtsgrüßen vor allem eine gute Heimreise.
Junge, komm bald wieder.
Eine andere wünscht der ganzen Besatzung eines Frachters Ententeichwetter für Weihnachten und nicht schon wieder einen neuen Sturm.
Junge, komm heil wieder!
Wenn die Grüße verlesen werden, diese kleinen Liebesnachrichten und Wünsche, die ja eigentlich immer ähnlich klingen, aber für jeden, der sie empfängt, doch so rührend sind, dann spürt man halt schon einen kleinen Kloß im Hals. Und gerade das macht diese Sendung auch so einzigartig.
Gruß an Bord. Das bedeutet Sehnsucht nach den Lieben.
Und eine Grußbotschaft fand ich besonders schön. Die Eltern an ihre jugendlichen Kinder, auf der Thor Heyerdahl geschickt hatten. Die Thor Heyerdahl, das ist ein Segelschiff, das unter anderem auch als schwimmende Bildungsstätte für Jugendliche auf den Weltmeeren unterwegs ist. Und diese Gruppe Jugendlicher, die waren mit dem Segelschiff über Weihnachten in der Karibik unterwegs. Und mit den letzten Worten dieser Grußbotschaft der Eltern an ihre Kinder möchte ich mich für heute auch verabschieden.
„Eure Tour passt richtig gut zu Weihnachten. Eure engen Schlafkojen gleichen der Krippe im Stall und bei der Nachtwache folgen eure Augen den Sternen. Und wie die Weisen aus dem Morgenland seid ihr dem Wunder eures Lebens auf der Spur. Genießt diese einzigartige Weihnacht mit all den wundervollen Menschen, die ihr um euch habt. Wir denken an euch und schicken euch einen Engel zum Fest und alles Gute für eure weitere Reise. Ahoi, Muffi! Weihnachten!“
Eure Marlene aus Dornum.
Hör rein und fühl das Radio!
Passend zur Podcast-Episode haben wir dir eine Spotify-Playlist zusammengestellt, die all den Songs gewidmet ist, die das Radio unvergesslich machen. Von Klassikern, die Seeleute auf den Weltmeeren begleiteten, bis hin zu modernen Ohrwürmern, die in jeder Sendung für Gänsehaut sorgen. Ob du in Erinnerungen schwelgst oder neue Lieblingshits entdeckst – dreh die Lautstärke auf und erlebe die Atmosphäre der Radiowellen neu.